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Leseprobe 3

Nie wieder alleine


Ende März 2012 klingelte es vermehrt an meiner Tür. Ich schlich am Rollator zum Türöffner und gewährte den Bewerbern Einlass. Vom Pflegeteam sorgfältig ausgewählte Arbeitsanwärter stellten sich vor, präsentierten sich von ihrer besten Seite und prüften, ob die Tätigkeit als persönlicher Assistent in meinen Diensten in Frage kommen könnte. Es ging flott und reibungslos. Schließlich hatte ich in den vergangenen zehn Jahren in der Arbeit unzählige Vorstellungsgespräche geführt, was mir das Auswahlverfahren eindeutig erleichterte. Im verregneten April wurde der Startschuss abgefeuert. Die sieben von mir ausgesuchten und vom Pflegeteam angestellten Assistenten erschienen nun einzeln jeden Tag in den Morgenstunden, blieben ganze 24 Stunden und übergaben mich am nächsten Tag an ihren Kollegen. Anfänglich wurden alle von Stefan, einem jungen Pfleger vom Pflegedienst, eingearbeitet, einen Monat später kamen wir alleine zurecht.


Die Normalität kehrte zurück. Was ich noch selbst erledigen konnte, tat ich selbstständig. Alles andere übernahmen meine Engel. Ich gebe zu, dass ich die Sicherheit liebgewann. Die letzten zwei Stürze am Rollator, die zu Platzwunden am Kopf geführt hatten, drückten mich geistig in den Rollstuhl. Ich hatte absolut keine Lust, in meinem Blut zu baden…

Die intensive Betreuung stellte nicht nur für mich eine Entspannung dar. Die 15-jährige Tochter Martina konnte wieder ein sorgloses Kind sein. Meine Mutter musste jetzt nicht mehr zum Aushelfen aus Tschechien nach München reisen, bei mir kochen, putzen, mich aufheitern, ihren Mann vernachlässigen. Auch Freunden fiel ein dicker Stein vom Herzen. Mehrmals in der Woche kamen wir mit Gerd zusammen. Von unseren Assistenten begleitet kochten wir miteinander, saßen in Biergärten, „fuhren“ der Kultur nach oder tranken einfach nur Kaffee miteinander.

Als Highlight bezeichne ich unsere Reise nach Italien. Vier erwachsene Personen, ein Schieberollstuhl und das Reisegepäck für eine ganze Woche fanden damals in einem kleinen Ford Fiesta Platz. Bis zum Dach vollgeladen fuhren wir nach Venedig. Ein Assistent saß am Lenkrad, ich daneben und auf den hinteren Reihen thronten der zweite Assistent mit der Partnerin des Fahrers. Die hintere Sitzbank musste mit einer Plastik-plane bedeckt werden, weil es vorher richtig ins Auto reingeregnet hatte. Das „lebenserfahrene“ Fahrzeug ließ uns nicht im Stich, gehorchte, wir 370 waren nicht zimperlich, und an Bord herrschte gute Laune. Der Urlaub am Meer war traumhaft.



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